Einladung zur Landesverbandstagung „Kinder stark machen!“

Am 16. Mai 2009

Bürgerhaus Gießen- Kleinlinden, Zum Weiher 33, 34398 Gießen

Restaurant Bürgerhaus Kleinlinden Tel. 06403 -21787

Kinder stark machen!


Aspekte der Resilienzförderung

für Menschen mit Sprach-Hör- und Lernbehinderung

Sehr geehte Mitglieder, Eltern, Vorsitzende, Lehrkräfte und Freunde

Was brauchen sprach-, hör- und lernbehinderte Kinder, Jugendliche und Erwachsene, dass sie selbstbestimmt ihr Leben führen und in der Gesellschaft teilhaben können? Was können wir ehrenamtlich Engagierte und die Eltern dazu beitragen?

Diese Fragen beschäftigen mich immer wieder. Ein Blick in die Ergebnisse der Erforschung der Belastbarkeit und Widerstandsfähigkeit von Kinder und Jugendlichen kann für unsere Arbeit neue Impulse geben.

Wenn wir uns mit der Resilienzforschung befassen, stellen wir fest, dass wir vieles schon immer richtig gemacht haben. Wir finden aber auch Bereiche, die wir besser machen, noch genauer betrachten sollten und Aufgaben, denen wir uns noch bewusster stellen können.

Vielleicht hilft uns die Resilienzforschung dabei, Kindern nicht nur Verständnis entgegen zu bringen, sondern unseren Blick zu leiten für ihre individuellen Möglichkeiten der Problembewältigung, um noch besser auf sie eingehen zu können.

In diesem Zusammenhang fällt mir ein Erlebnis ein. Ein Freund meines Sohnes war stolz darauf, dass er es geschafft hatte, alleine mit dem Bus von der Arbeit nach Hause zu fahren. Dort kam er mit einer ölbefleckten Jacke an und holte sich für beides einen Tadel ein.

Belegt durch die Resilienzforschung, ist und bleibt es eine der wichtigsten Aufgabe von Sprechen- Hören- Lernen Fördern und den Fördervereinen, den gemeinsamen Austausch mit den Eltern, aber auch den Austausch zwischen Experten, Lehrer(-innen) und Eltern zu fördern und dabei auch die Begleitung der Kinder und Jugendlichen sowie den Aufbau tragfähiger Netzwerke zur Unterstützung, so dass allen Kindern und Jugendlichen mit sprach-, hör- und Lernbe-hindererung die erforderlichen Partner in allen für sie relevanten Bereichen zur Verfügung stehen. Hierzu zählen neben Kita und Schule auch Berufsvorbereitung, Ausbildung und Arbeit.

Gerade hier sind wir als Eltern gefordert, kompetent und eigenverantwortlich in Abstimmung mit dem Reha-Träger, den Weg in Ausbildung und Beschäftigung zu unterstützen.

Was aber können wir ausrichten wenn die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen hierfür so beschaffen sind, dass es immer schwieriger wird, unsere Kinder in die Berufsvorbereitung, in Ausbildung und Arbeit zu bringen. Wie sollen wir sie dann loslassen und in ein selbstbestimmtes Leben entlassen?

Kinder stark machen, ist Aufgabe aller!

Kinder stark machen ist nur dann möglich wenn wir alle zusammenhalten unsere Kinder fördern und begleiten in ihrem Alltag, Wertschätzung entgegenbringen und uns für den Erhalt der Rahmenbedingungen von der Frühförderung bis zur beruflichen Eingliederung einsetzen.

Mit freundlichem Gruß

Hans-Jürgen Jung

1. Vorsitzender

Vorgesehenes Tagungsprogramm:

Samstag, 16. Mai 2009

10.00 – 10.10 Uhr Begrüßung durch Hans-Jürgen Jung, 1. Vorsitzender

Einführung in das Tagungsthema durch Ursula Häuser, 2.Vorsitzende

10.10 – 10.45 Uhr Stärkung der Selbstständigkeit und des Selbstwertgefühls während der Ausbildung im

Berufsbildungswerk (BBW)

Herr Bernhard Altert, Abteilungsleiter Wohnen- Beraten-Fördern im BBW- Südhessen

10.45 – 11.00 Uhr Kaffeepause

11.00 – 11.40 Uhr Coping – ein neuer Begriff in der Resilienzforschung

Herr Ernst Heimes, jahrzehntelange Tätigkeit in der Ausbildung von Sonderschullehrer(innen)

sowie Sozialpädagogen(innen), Studiendirektor im Ruhestand

11.40 – 12.40 Uhr Wie können Schulen und Familien resilienzfördernd wirken?

Philipp Demling, Leiter des Sonderpädagogischen Förderzentrums in Schwabach

12.40 – 13.15 Uhr Schule – Schwangerschaft

Frau Mekelburg, Diakonie Grünberg

13.15 – 14.00 Uhr Mittagessen

14.00 – 14.45 Uhr AG 1 – AG 5 (evt. Änderungen vorbehalten)

Arbeitsgruppe 1: Schule – Schwangerschaft mit dem Babypuppenprojekt

Frau Mekelburg, Diakonie Grünberg

Arbeitsgruppe 2: Stärkung der Selbstständigkeit und des Selbstwertgefühles während der Ausbildung im BBW Herr Bernhardt Altert, Abteilungsleiter BBW- Südhessen

Arbeitsgruppe 3: Coping – ein neuer Begriff in der Resilienzforschung

Herr Ernst Heimes, Studiendirektor in Ruhe

Arbeitsgruppe 4: Wie können Schulen und Familien resilienzfördernd wirken?

Philipp Demling, Sonderschulrektor in Schwabach

Arbeitsgruppe 5: Stärkung des Selbstwertgefühls in der KITA und sicher in die Grundschule

Alternativ Frau Niebelschütz (Montessori – KITA Gießen )

14.45 – 15.00 Uhr Kaffeepause

15.00 – 16.00 Uhr Plenum – Vorstellung der Gruppenergebnisse

Tagungsergebnisse

16 Uhr Ende der Landesverbandstagung

Teilnehmerbeitrag: EUR 25, Jugendliche EUR 10 zu überweisen auf das Konto14 74 74 00, Volksbank Mittelhessen BLZ 513 900 00

Ihre Anmeldung senden sie bitte bis zum 04.05.2009 an die Geschäftsstelle des Landesverbandes, Haydnstraße 27, 35440 Linden Tel. 06403-64511, Fax: 06403-690377, Mail: lvhessen@shlf.de

Für Kurzentschlossen die wegen Urlaubsvertretung, Wechsel- und Schichtdienst usw. sich nicht termingerecht ange-meldet haben, besteht die Möglichkeit zur kurzfristigen fernmündlichen Anmeldung.

Diese Landesverbandstagung ist als Lehrerfortbildung beim Institut für Qualitätssicherung Hessen beantragt.

Wegbeschreibung zum Bürgerhaus Kleinlinden

Anmeldung zur Tagung

Einladung zur Jahresmitgliederversammlung 2009

Liebe Mitglieder, liebe Freunde

Zu unserer Jahresmitgliederversammlung

am Samstag, den 07. März 2009 um 14.00 Uhr

im Hotel „Deutsches Haus“ (eine Einrichtung des BBW – Südhessen)
35510 Butzbach, Bahnhofstraße 9 laden wir Sie herzlich ein.

Einlaß ab 13.30 Uhr

Tagesordnung:

1. Begrüßung und Feststellung der Beschlussfähigkeit
2. Referat: Vertiefte Berufsorientierung durch das BBW- Südhessen an interessierten Förderschulen in der Region, nach § 33 SGB III und § 421q SGB III Förderschulen in der Region, nach § 33 SGB III und § 421q SGB III
Referent: Herr Carsten Rehbein, BBW- Südhessen
3. Feststellung der Beschlussfähigkeit
4. Geschäftsbericht des Vorsitzenden
5. Kassenbericht der Kassiererin
6. Bericht der Kassenprüfer
7. Ehrungen für 10-jährige und 25-jährige Mitgliedschaft
8. Veranstaltungen im Geschäftsjahr 2009, Vorblick auf das Jubiläumsjahr 2010
9. Anträge
10. Verschiedenes

Anträge sind bis spätestens 01. März 2009 mit Begründung an unsere Geschäftsstelle zu richten.
Sollten Sie einen Gebärdendolmetscher oder ein Schriftdolmetscher benötigen, bitten wir um eine umgehende verbindliche Rückmeldung.

SchuB wird weiter gefördert

Das Projekt „SchuB – Lernen und Arbeiten in Schule und Betrieb“ wird durch den Europäischen Sozialfond in einer zweiten Runde bis 2013 gefördert.

Die überaus erfolgreiche Maßnahme richtet sich in erster Linie an Schülerinnen und Schüler der Hauptschule, bei denen zu erwarten ist, dass sie den Hauptschulabschluss nicht schaffen werden.
In dem ersten Durchgang 2004-2006 erreichten von 206 Schülerinnen und Schüler 188 oder 91% den Hauptschulabschluss und davon sogar 71 den qualifizierenden Hauptschulabschluss.
Im nächsten Schuljahr werden an über 70 Standorten vorraussichtlich knapp 2000 Schülerinnen und Schülern in SchuB-Klassen unterrichtet.

Die Maßnahmen an den Schulen werden durch ein umfangreiches Fortbildungsprogramm durch das Amt für Lehrerbildung begleitet. Im „Blended-learning-Verfahren“ bearbeiten die beteiligten Lehrerinnen und Lehrer sowie Sozialpädagogen und Sozialpädagoginnen insgesamt 12 Module im Zeitraum von 2 Jahren.

Warum SchuB-Klassen an hessischen Haupt- und Förderschulen?

Die Zahl der Hauptschülerinnen und –schüler in Hessen ohne Abschluss ist seit Beginn der 90er Jahre konstant auf einem relativ hohen Niveau. Fast zwei Drittel der voraussichtlich abschlusslosen Jugendlichen geht bereits vor Erreichen der 9. Klasse von der Schule ab.

Vom Schulversagen betroffen sind im stärkeren Maße männliche, hier insbesondere Jugendliche ausländischer Herkunft oder mit Migrationshintergrund. Hauptschüler-innen und –schüler ohne Abschluss gelten auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt auch aufgrund ihres höheren Alters – in der Regel haben sie bereits zehn Pflicht-schuljahre in der allgemeinbildenden Schule absolviert – als schwer vermittelbar und ausbildungsunfähig.

Um diesen Jugendlichen dennoch den Einstieg in das Berufsleben zu ermöglichen, war bildungs-politisches Handeln also dringend geboten. Mit dem Schulgesetz vom 01.01.2005 wurde die Einrichtung landesweiter „SchuB-Klassen“ (Lernen und Arbeiten in Schule und Betrieb) fest-gelegt.

Diese Schubklassen mit maximal 15 Schülerinnen und Schülern sollen dazu beitragen:

  • die Persönlichkeit der Schülerinnen und Schüler zu stärken und zu stabilisieren;

  • Erfolgserlebnisse zu schaffen und die Lern- und Leistungsmotivation zu steigern;

  • persönliche Stärken und Kenntnisse zu fördern;

  • Schlüsselqualifikationen (fachliche, methodische, persönliche und soziale Kompetenz zu vermitteln;

  • die Beschäftigungs- und Ausbildungsfähigkeit zu erhöhen;

  • strukturierte Berufsorientierung sowie Praxiserfahrungen zu ermöglichen;

  • Schul- und Ausbildungsabbrüche und unnötige Warteschleifen zu reduzieren bzw. zu vermeiden;

  • die Schülerinnen und Schüler in Ausbildung und Arbeit zu vermitteln;

  • den Hauptschulabschluss im Rahmen der Verordnung zu ermöglichen und damit die Zahl der Schülerinnen und Schüler ohne Hauptschulabschluss zu verringern.

Wichtigstes Merkmal von SchuB-Klassen ist ein praxisorientiertes Lernen in Betrieben, der Anteil des theoretischen Unterrichts wird zugunsten der praktischen Tätigkeit gekürzt und konzentriert. Zwei aufeinander folgende Praxistage pro Woche verbringen die Schülerinnen und Schüler in einem Betrieb, in dem sie insgesamt 16 Zeitstunden lernen. Innerhalb der vier Schulhalbjahre sollen zudem mindestens drei verschiedene Berufsfelder kennen gelernt werden.

Einen weiteren Schwerpunkt legt das SchuB-Konzept auf eine individuelle und sozialpädagog-ische Förderung und die Erstellung von Förderplänen für jeden einzelnen Schüler.

Benachteiligungen entgegenwirken: Kinder stark machen.

Ergebnisse der Resilienzforschung

Ich möchte Ihnen ein Mädchen vorstellen. Es weist fast sämtliche Merkmale eines im klassischen Sinne benachteiligten Kindes auf und hat mit erheblichen Risikofaktoren zu leben. Gleichzeitig verfügt es im Sinne von Resilienz über eine satte Anzahl an Schutzfaktoren.

Das Mädchen ist 9 Jahre alt. Die Mutter starb noch vor ihrem ersten Geburtstagsfest. Ihr Vater ist viel unterwegs und kümmert sich nur sporadisch um sie. Ein Einzelkind, eine notorische Lügnerin, die regelmäßig die Schule schwänzt, gewalttätig gegen Jungs ist, morgens schläft und abends nicht ins Bett kommt. Ihre motorische Unruhe und ihr Bewegungsdrang legen eine ADHS-Diagnose nahe. Das Mädchen kann nicht lesen und nicht schreiben. Nach einer Heimeinweisung ist sie ausgebüchst und konnte nicht dazu gebracht werden, wieder dorthin zurück zu kehren.

Sie kennen das Mädchen alle, und die meisten von Ihnen dürften ein Fan von ihr sein. Ich spreche von Pippilotta Langstrumpf.

Pippi ist ein sehr schönes literarisches Beispiel für ein resilientes Kind. Bei allen Risiken, die ihre Biografie in sich birgt, verfügt sie über eine herausragende Eigenschaft: Sie hat Zugang zu ihren eigenen Stärken, sie verfügt über ein großes Repertoire an Bewältigungsstrategien. Sie denkt ausgesprochen positiv, hat viele Ideen, wie sich Probleme lösen lassen, ist wissbegierig und fragend und zeigt viel Humor. Sie verhält sich in ihren Anliegen zielorientiert und ist unerschütterlich in ihren Selbstwirksamkeitserwartungen.

Die Resilienzforschung, ursprünglich ein Forschungsansatz von Psychologen und Sozialwissenschaftlern, hat über einen Zeitraum von 40 Jahren empirisch untersucht, welche Faktoren dazu beitragen, dass sich Kinder auch unter sehr ungünstigen Umständen positiv entwickeln können.

Forschungsergebnisse belegen, dass folgende Lebensumstände explizit Indikatoren für Benachteiligtenkarrieren sind:

  • Armut, einer der wesentlichsten Risikofaktoren, der zu Entwicklungsstörungen und –defiziten (Wahrnehmungsentwicklung, Sprachentwicklung) führt; Armut fördert den sozialen Rückzug;in Deutschland gelten nach einer UNICEF-Studie aus dem Jahr 2005 1,5 Millionen Kinder als arm;
  • Tod – zum Beispiel der Mutterverlust in der Kindheit,
  • Vernachlässigung,
  • Misshandlung,
  • Gewalterfahrung,
  • Scheidung,
  • traumatische Erlebnisse mit potentiell lebensbedrohlichem Charakter – z.B. Kriegstraumata,
  • chronische oder schwere Erkrankungen,psychisch labile Eltern (Drogen- und Alkoholsucht, überkontrollierende oder umgekehrt distanzierte bis gleichgültige Mütter),
  • körperliche Beeinträchtigung oder Behinderung,
  • fragwürdige Kontakte zu Gleichaltrigen,
  • häufig wechselnde frühe Beziehungen,
  • häufiger Kontakt mit Jugendämtern

Kritisch scheint es besonders dann zu werden, wenn die Risikofaktoren kumulieren und Wechselwirkungen eintreten.

Interessanter Weise entwickeln sich viele Kinder trotz vorhandener Risikofaktoren völlig unproblematisch. Die Resilienzforschung untersucht, was diese Kinder gesund erhält. Sie stellt damit Anhaltspunkte für präventive Handlungskonzepte zur Verfügung. Wir wissen heute aufgrund der erforschten Daten mehr über schützende Bedingungen, die die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass ein Kind mit Problemsituationen besser fertig wird.

Was Pippi Langstrumpf auszeichnet sind Fähigkeiten, die die Widerstandsfähigkeit gegenüber psychosozialen, psychologischen und biologischen Entwicklungsrisiken erhöhen.

Diese Fähigkeiten sind zum einen kindbezogen: Temperamenteigenschaften und kognitive Fähigkeiten zählen dazu. Diese sind kaum beeinflussbar.

Zum ganz überwiegenden Teil handelt es sich bei den Resilienzfaktoren jedoch um erworbene, kontextabhängige Fähigkeiten. Resilienz, so die derzeitige Auffassung, ist das Ergebnis eines Entwicklungsprozesses zwischen Kind und Entwicklungsumgebung.

Es ist beispielsweise empirisch gut untersucht, dass Lehrer, die ein aktives Interesse am Schüler haben, den Strategieerwerb sehr positiv beeinflussen. Sie wirken als Mediatoren, indem sie den Kindern über ihre Person vorleben, wie sich soziale Unterstützung mobilisieren lässt. Umgekehrt kann Armut, beispielsweise über den Vater oder die Mutter, ausgesprochen destabilisierende Wirkmechanismen auslösen.

Mit ihrem interaktionellen Verhalten sind die Eltern in Grenz- und Krisensituationen gleichfalls Mediatoren für Bewältigungsstrategien. Wirtschaftliche Notlagen können bei Eltern Druck auslösen, Verbitterung, die zu feindseligen Verstimmungen führen kann. Die Konfliktbereitschaft steigt, die Streitereien nehmen zu. Die Kinder erfahren aggressive, feindselige Vorbilder, die eher hart disziplinieren und wenig unterstützen. Die so erfahrenen und häufig internalisierten Bewältigungsstrategien führen im Schulalltag direkt ins Abseits. Was sie dabei nicht lernen ist:

  • mündlichen Anweisungen zuhören,
  • dass Erwachsenen durchaus konsequent und folgerichtig handeln,
  • dass man Bedürfnisse aufschieben kann, warten können,
  • Dinge teilen,
  • sich aushelfen,
  • sich in andere hineinversetzen.

Die Sonderpädagogik hat es sich schon immer zur Aufgabe gemacht Kinder in ihrem Lernen und Verhalten zu stärken. Seit gut einem Jahrzehnt gehen wir dabei den Weg weg von der Defizitorientierung (nachreichen, was das Kind nicht kann) hin zur Kompetenzorientierung: erst das kultivieren, was das Kind kann und woran es Freude hat. Auf diese Weise Erfolgserfahrungen ermöglichen, die Motivation steigern, die Selbstwirksamkeitserwartungen stärken und so den Zugang zum Lernen öffnen.

Wenn wir von Individualisierung sprechen, sprechen wir von einer individuellen Lern- und Lebensbegleitung, bei der die im Alltag erworbenen Fähigkeiten identifiziert werden. Diese müssen dann für die Entwicklung schriftsprachlicher und mathematischer Kompetenzen genutzt werden.

Interessant am Resilienzkonzept ist, dass es kein spezifisch sonderpädagogisches oder schulpädagogisches ist, sondern eines, das die Gelingensfaktoren einer Biografie in den Blick nimmt. Es ist ein Wahrscheinlichkeitskonzept (kein Kausalkonzept), das die Bewältigungs- und Schutzmechanismen erfasst und somit die gesamten Lebensraum eines Kindes mit ins Boot nimmt. Es zwingt Eltern und Sorgeberechtigte, Schule, Jugendhilfe, Schulträger, Gesundheitsvorsorge, Arbeitsverwaltung, Kirchen – an einen Tisch.

Folgt man dem Resilienzkonzept, gelingen riskante Bildungskarrieren am ehesten, wenn alle Beteiligten gemeinsam die personalen Ressourcen des Kindes festigen und optimieren und dafür die geeigneten Umweltressourcen schaffen. Es geht darum den Einzelnen in die Lage zu versetzen, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen.

Was kann getan werden? Betrachten wir dazu die als stabilisierend wirkenden Faktoren etwas genauer:

Bindung und Beziehung

Wichtig ist eine stabile Beziehung zu einer primären Bezugsperson. Bindung verstanden als eine innere Bindung, durch die Kinder Vertrauen erfahren, Wärme, auch Normen (im angloamerik. Sprachraum – binding). Kinder, die eine sichere Bindung haben, suchen bei emotionaler Belastung die Nähe dieser Bezugsperson. Sie können sich dort beruhigen und sich anschließend wieder ihrer Umwelt zuwenden.

Ebenso wichtig scheint eine äußere Bindung (Bridging). Der Brückenschlag zu bedeutsamen Dritten. Beziehung in Form sozialer Kontakte zu kompetenten, fürsorglichen Erwachsenen, die Vertrauen fördern, Sicherheit vermitteln und im Sinne eines Mediators (Vorbild) positive Rollenmodelle abgeben. Bordieu spricht in diesem Zusammenhang von Sozialkapital, als einem wesentlichen Gelingensfaktor von Autonomie und Teilhabe.

Dazu gehört die Schule, sofern sie als geschätzter Lebensraum erfahren wird. Es besteht die Notwendigkeit einer intensiven Lern- und Lebensbegleitung. Konkret bedeutet dies

  • Schüler mit einem entwicklungsangemessenen Leistungsstandard konfrontieren
  • sie mit sinnhaften, verantwortungsvollen Aufgaben betrauen. Sie sollen erfahren, dass sie gebraucht werden und Einfluss nehmen können
  • Transparente, stabile Strukturen schaffen. Was ist damit gemeint? Wissen, wer für was zuständig ist, Verbindlichkeiten, entlastende, ordnende Rituale, klare Zeit- und Raumstrukturen
  • Gerechte, verständliche und einsichtige Regeln, deren Einhaltung auch durchgesetzt wird
  • Anerkennung für erbrachte Leistungen – nicht primär über Noten, über soziale Zuwendung z.B., gesellschaftliche Würdigung
  • Lehrer, die ein aktives Interesse an jedem einzelnen Schüler zeigen
  • Lehrer, die einen Erziehungsstil leben, der unterstützend und fordernd ist und gleichzeitig eindeutige Grenzen setzt.
  • Beziehung weiterhin zu anderen Lebensräumen, in denen sie ähnliche protektive Bedingungen vorfinden, wie in unseren guten Schulen: soziale Einrichtungen, Vereine, Kirche, Betriebe.

Zu dem, was an persönlichen Fähigkeiten erworben werden kann, zählen Bewältigungsstrategien. An erster Stelle muss genannt werden

Zielorientiertheit

– vor allem klare und ihrem Entwicklungsstand angemessene Ziele. Klarheit auch in den angestrebten Ergebnissen: Jugendliche sollen die Erfahrung machen, dass Aufgaben stets eine Problemstellung beinhalten, die handlebar ist, für deren Handling Strategien weiterhelfen (und keine vorab verkündeten Lösungsmuster). Dazu gehört die Erfahrung, dass es jemanden gibt, der ihnen in solchen Lernprozessen weiterhilft.

Sie benötigen dafür Felder, in denen sie ihre Interessen, Talente und Hobbys kultivieren können. Die eigenen Stärken leben, impliziert, dass persönliche Kompetenz als eine Ressource begriffen wird, mit der sich existenzielle Bedürfnisse – in der Welt zurecht kommen – einlösen lassen.

Zum Stratetegieerwerb gehört auch zu lernen das eigene Tun über die gesamte Schulzeit hinweg regelmäßig zu reflektieren und einzuschätzen. Auch zu lernen, Erfahrungen des Scheiterns sachlich zu reflektieren.

Zur Problemlösefähigkeit – bedarf es Strategien, mittels derer der Schüler sein Handeln organisieren und gestalten kann. Gefragt sind vor allem prozedurale Fähigkeiten, Fähigkeiten mit denen sich Aufgaben und Probleme lösen lassen. Es ist wichtiger, die Spaghetti und eine dazu passende Soße in einem halbwegs vertretbaren Zeitraum so kochen zu können, dass beides noch warm und genießbar ist, als über die Bestandteile einer Nudel im einzelnen Bescheid zu wissen. Prozedurale Fähigkeiten bedürfen, Handlungsstrategien, Lernstrategien und Kontrollstrategien.

Problemlöseorientierte Verfahren müssen ein Probehandeln vorsehen. „Probier es aus, dann überlegen wir, weshalb etwas geklappt hat und woran es liegen könnte, dass es nicht geklappt hat.“ Ein solches Lernen setzt Handlungs- und Erprobungsfelder voraus, in denen Schüler eigenständig und möglichst selbstgesteuert Lösungsansätze handelnd erproben können. Dafür reichen unsere Klassenzimmer nicht aus. Wir brauchen dafür Partner, die den Kindern solcher Felder Erfahrung zugänglich machen. Außenräume sind Bildungsräume

Gesundheit

Ein stabiles Immunsystem müssen wir gleichfalls zu den personalen Ressourcen von Kindern und Jugendlichen zählen. Dieses kann von Schule und Umfeld gefördert werden durch körperliche Fitness indem z.B. auf einen regelmäßigen Schlaf- und Wachrhythmus geachtet wird, auf ausgewogene Ernährung (übergewichtige Kinder – Einschränkungen!), auf sorgfältige Hygiene, auf Bewegungszeiten und sportliche Aktivitäten unter der Zielsetzung die Bewegungsfreude zu wecken.

Selbstwirksamkeit

Negative Selbstwirksamkeitserwartungen („Das kann ich nicht.“ „Ich finde ja doch nie eine Lehrstelle!“) beeinflussen die Motivation sehr nachhaltig. Motivation liegt nicht in den Genen. Motivation beschreibt vielmehr einen Prozess, der die Einleitung und Aufrechterhaltung von Handlungen steuert. Gelernt wird, was, unter anderem, emotional befriedigend wirkt. Erfolgserfahrungen, auch schulische Leistungserfolge, tragen maßgeblich dazu bei, dass Kinder ein Gefühl davon bekommen, was für sie bewältigbar und handhabbar ist. Hingegen lösen häufige Frustrationen und Versagenserfahrungen Erklärungsmuster aus, durch die alles Misslingen an der eigenen Person festgemacht wird.

Damit Kinder lernen sich selbst etwas zu zutrauen, brauchen sie Erfolge und Sie müssen lernen Ereignisse zu erklären (Kohärenzgefühl entwickeln). Salopp ausgedrückt, unterscheiden können „auf ihrem Mist gewachsen ist“ und was andere verbrochen haben.

Resiliente Kinder können erklären, weshalb etwas geklappt hat oder schief gegangen ist. Sie rechnen mit dem Erfolg eigener Handlungen. Sie glauben an ihre eigenen Kontrollmöglichkeiten und können ihr Handeln organisieren und steuern.

Zusammenfassung

Nach unserem heutigen Kenntnisstand ist Resilienz vom Kindergartenalter bis, wie Interventionsstudien mit jungen arbeitslosen Männern und Frauen in der Schweiz zeigen, ins Erwachsenenalter hinein lernbar. Je früher allerdings Kinder lernen Zugang zu ihren Stärken zu finden und je früher sie lernen Hilfen von außen anzunehmen, desto leichter fällt es ihnen eine stabile Identität aufzubauen.

Für die im Felde von Erziehung und Bildung tätigen Institutionen ergibt sich daraus der Auftrag gemeinsam protektive System weiter auszubauen

  • das Familiensystem stärken
  • durch Unterstützung der Eltern bei der Schaffung starker und positiver Familienbindungen
  • Unterstützung des elterlichen „Monitoring“. gemeint ist, dass die Eltern wissen, welchen Aktivitäten ihr Kind nachgeht und mit wem es seine Zeit verbringt (Peer-Kontakte)
  • Unterstützung der elterlichen Beteiligung am Leben ihrer Kinder – mitmachen am Schulleben, am Vereinsleben
  • Unterstützung der elterlichen Bindung an Institutionen in der Gemeinde – die Eltern mitnehmen zu Veranstaltungen der Schule, des Bürgervereins, der Kirche
  • Unterstützung der Eltern klare Erziehungsnormen durchzusetzen – wie wird durchgesetzt, dass 9jhrige um 20.00 Uhr im Bett sind?

Die Schule selbst muss sich als soziales Netzwerk generieren,sich in das Gemeinwesen hinein öffnen – andere Bildungsträger, andere Institutionen ins Schulhaus holen, die Gemeinschaft pflegen mit Musikschule, Theatergruppe, Musikverein etc, Anbieter von Aktivitäten ins Haus holen – Volkshochschule, Jugendpfleger, Rotkreuz, Pfadfinder, Jugenddisko, um bürgerschaftliches Engagement werben,verlässliche Partnerschaften pflegen – mit Lesepaten regelmäßigen Austausch halten, Betriebe regelmäßig kontaktieren, die Eingliederung von Kindern und Jugendlichen in Institutionen des Gemeinwesens und der Kulturarbeit aktiv betreiben, d.h. das Anliegen unterrichtlich behandeln, es mit den Sorgeberechtigten beackern und die Jugendlichen darin begleiten Anschlussmöglichkeiten an nachschulische Bildungseinrichtungen schaffen.

Manfred Burghardt

Pädagogik der Lernförderung Staatliches Seminar für Lehrerbildung Freiburg

Vorbereitung: 40 Jahre SPRECHEN-HÖREN-LERNEN FÖRDERN, Landesverband Hessen e.V.

Festveranstaltung im Mai 2010 in Gießen- Kleinlinden

Festschrift – Bitte um Unterstützung

Sehr geehrte Damen und Herren,

vor 40 Jahren wurde Sprechen- Hören- Lernen Fördern – Landesverband Hessen e.V. gegründet (vielen ist noch der Name Landesverband zur Förderung und Betreuung sprach-, hör- und lern-behinderter Kinder e.V. bekannt). Anlass für uns, dieses Jubiläum miteinander zu feiern, unsere Arbeit in einer Festschrift zu veröffentlichen, über unsere Aufgaben und Ziele nachzudenken und diese wo erforderlich weiterzuentwickeln.

Die Festveranstaltung ist im Mai 2010 im Bürgerhaus Gießen- Kleinlinden geplant.

Die Festschrift möchten wir gerne mit ihnen gemeinsam gestalten. Die örtlichen Fördervereine haben die Gelegenheit, darin ihre Arbeit der Öffentlichkeit vorzustellen. Sie können über ihre Schwerpunkttätigkeiten, Ihre Aktivitäten wie Schulfeste, Theatergruppen, Tanzgruppen, Schüler-firma, Schulband, Teilnahmen an Turnieren, Freizeiten, Elternstammtische, Kegelabende, Grillfeste, und Erfahrungen in allen relevanten Bereichen berichten.
Für die Festschrift können Sie einen Beitrag schreiben, uns alternativ aber auch bestehende Artikel Bildberichte- oder Bilder mit Stichworten zu senden. Der Umfang sollte etwa 1- 4 DIN A4 Seiten betragen. Ihren Beitrag senden Sie uns bitte bis zum 15.12.2008.

Wir freuen uns auf Ihren Beitrag und danken Ihnen im Voraus sehr herzlich für Ihre Unterstützung!